Archiv für den Tag: 26. Juli 2017

Gibt es lokale Furz-Dialekte?

(Und warum wird das nicht von der Linguistik erforscht, genau wie Mimik, Zeichensprache etc.? Auch was als sprachliche Äusserung gilt und was als “Geräusch” wird diskursiv hergestellt.)

Heutzutage fühlt sich jeder als Künster – und eine passende, traumatische Kindheitsgeschichte, die man in Interviews erzählen kann, ist auch leicht gefunden.

Die Botschaft von Dr. Kawashimas Gehirntraining ist klar:
Selbst das Spiel, die Freizeit muss optimiert werden und einen Zweck erfüllen. Du kannst dich Abends nicht einfach vor die Glotze haun und abschalten, du musst selbst deine Freizeit nach dem Prinzip der Ökonomisierung gestalten.

“Scripted Reality” ist Ausdruck eines gewandelten Paradigmas: Man glaubt nicht länger, dass sich die Narration aus der Wirklichkeit speisst, sondern dass die Fiktion die Wirklichkeit überhaupt erst erzeugt.
Anstatt den Anspruch einer Dokumentation auf die Abbildung der Wirklichkeit zu erheben, erkennt man, dass alle Realität nur “gemacht”, alle Objektivität nur Ergebnis eines Interpretationsprozesses ist.
Die Alltags-Geschichten einer Skripted-Reality-Serie bietet dem Zuschauer Interpretationsmodelle von Situationen an, nach denen er sein Bild der Realität strukturiert.

Nicht die Sternbilder wurden nach den Mythen benannt, sondern die Mythen entstanden als Gedächtnisstütze für die Sternbilder!

Die beste Art Wissen zu tradieren ist in Form einer Geschichte, eines Mythos (R. Lachmann), die in einer oralen Kultur von Generation zu Generation weitergegeben wird. Da astronomisches Wissen über den Kalender und die Himmelsrichtungen für eine antike Agrarkultur überlebenswichtig sind, ist es naheliegend, dass es sich bei den Mythen um ein “Aufschreibesystem” (F. Kittler) für kulturelles Wissen handelte.
Auch der Hexameter trägt dazu bei, dass sowohl der Inhalt, als auch die Form die größtmögliche Resillienz gegenüber Veränderung besitzt. Mythen sind somit ein sehr stabiler “Mem-Replikator” (Dawkins)

Auch gilt es inzwischen als wissenschaftlich Anerkannt, dass Homer keine real existierende Person, sondern nur eine Zuschreibungsinstanz ist; Ein imaginierter Autor unter dessem Namen die mündlich überlieferten Mythen zusammengefasst wurden. Die Herkunft der Mythen zum Zweck der Wissens-weitergabe und nicht der Dichtkunst ansich wirkt dadurch noch plausibler.

Die häufige Beobachtung, dass “Am Ende alles zum Anfang zurückkehrt” ist natürlich ein Fehlschluss.
Zwischen allen beliebigen Zeitpunkten lassen sich Gemeinsamkeiten konstruieren, aber dadurch, dass man Anfang und Ende so einen Hohen Stellenwert zumisst, fallen einem die Gemeinsamkeiten hier besonders auf.

Die Struktur einer spätkapitalistischen Firma:

2% Produktentwicklung
98% Marketing, Werbung, PR, Verwaltung, Management

Alles dreht sich um einen leeren Kern. (Zizek) Im Prinzip ist alles nur vergoldete Scheisse.

Beispiel Kunstmarkt:
2% tatsächliche künstlerische Tätigkeit
98% Händeschütteln, Networking, Selbstdarstellung, Interviews geben

Die Tatsache, dass weisse Feuilleton-Redakteure jetzt darüber diskutieren ob das N-Wort in neuen Ausgaben von Büchern ersetzt wird oder nicht, ist nur die Fortsetzung einer kolonialistischen Praxis.

Die Symbolik vom Club 27 ist, dass mit 27 der Rockstar in dir stirbt. Plötzlich muss man sich um Arbeit und Altersvorsorge kümmern, für die Rebellion der Jugendtage bleibt kein Platz mehr.

Der “Ich bin in Sicherheit”-Button, den Facebook bei Terroranschlägen anbietet, ist doch auch nur eine Form des Selfies. Ein “ich bin dabei gewesen”, ein ‘sich einschreiben in die Narration des Weltgeschehens’.

Alles wird zur abgespeckten, leicht konsumierbaren Lite-Version: Fotoapparate werden zu Handys, Nachrichten werden zu News, Programme werden zu Apps…
Man könnte es den Take-Away-Kapitalismus nennen, wo alles schon in mundgerechte Happen portioniert ist.

Die vergessene Symbolik des Brautstraußes: Da die Braut ja nun defloriert wird, wird der Brautstrauß an die Brautjungfer weitergegeben, da ihre Blume als nächstes gepflückt wird.

(Sah ein Knab’ ein Röslein stehn, […] Knabe sprach: ich breche dich)

Interpretationen werden mit der Zeit nicht “besser”, nur “aktueller”, da sich die Fragestellung verschiebt.

z.B. Was in den 70ern eine hochaktuelle moralisch/ethische Interpretation war, gilt heute als altbacken und unterkomplex.

Aufgabe einer Meta-Wissenschaft müsste es sein, wissenschaftliche (scheinbar objektive) Wahrheiten selbst in ihrer Historizität zu begreifen.

Nicht “Es bedeutet etwas, also betrachte ich es als Kunst” – sondern “Ich betrachte es als Kunst, deswegen schreibe ich ihm eine Bedeutung zu”.

(Der einzige Unterschied zwischen Goethe und Jürgen & Zlatko besteht darin, ob wir es in den Kanon der Hochkultur aufnehmen oder nicht. Die tiefere Bedeutung dazu findet sich dann schon von alleine.)

Die Logos an Kleidungsstüclen tragen wir wie militärische Abzeichen. Oft sind Spuren dieser Herkunft noch in den Symbolen selbst enthalten (z.B. Sterne und Lorbeerkränze) auch wenn wir deren Ursprung längst vergessen haben.
Wir sollen die Zugehörigkeit zu einer Marke als Auszeichnung empfinden und als etwas, das uns definiert, mit anderen Trägern dieses Abzeichens verbindet und von den “normalen” Leuten ohne Auszeichnung abhebt.

(Auch die Spuren vergessener Bedeutungen haben sich um die Zeichen abgelagert; vgl. M. Bachtin)

Die “Gerade ist wieder eine Grippewelle”-Illusion:

Immer wenn man krank ist, hat man das Gefühl “Gerade geht ja auch eine Grillewelle um”.
Dies ist nur der Effekt selektiver Wahrnehmung: Eigentlich ist ständig irgendwer krank, diese Information ist aber nur in dem Moment für uns Interessant, wenn wir selbst krank sind; die anderen Zeitpunkte blenden wird aus. Daraus entsteht der Fehlschluss, dass immer wen man selbst krank ist auch “gerade eine Grippewelle umgeht”.

Selektive Beobachtung lässt im Rauschen Muster entstehen.

Warum gehen wir davon aus, dass es Ludwig I von Bayern und Prinzessin Therese wirklich gegeben hat – sie könnten nur mythologische Figuren sein, zu deren Ehren ein Fruchtbarkeitsfest abgehalten wird, wie Dionyssos.
Eine Zuschreibungsinstanz, ein Mythos den wir erfunden haben um kulturelles Wissen (z.B. über den Kalender) zu tradieren.

Wenn der Autor Tod ist (Barthes) kann jedes Muster – von den Buchstaben im Buch bis zu den Rillen im Kuhfladen – eine Botschat sein.
(Mit Peirce gesagt: Alles ist Rauschen/Erstheit, bis ein Interpretant hinzutritt)

Leben ist nur der Effekt der definitorischen Grenzziehung, welche chemischen Reaktionen wir als Leben bezeichnen und welche nicht.